Dass Experten der Europäischen Zentralbank der Kryptowährung Bitcoin skeptisch gegenüber stehen, verwundert nicht. Schließlich vertritt die EZB als Hüterin des Euro geradezu das Gegenteil eines Tokens, der per Definition ohne eine zentrale Vertrauensinstanz auskommt. Zwei hochrangige EZB-Experten haben den erneuten Kursabsturz des Bitcoin im Zuge der FTX-Pleite als Anlass für eine Wiederauflage der Fundamentalkritik genutzt und erklärt, der Bitcoin befinde sich “auf dem Weg in Richtung Bedeutungslosigkeit”. In dem Plädoyer gegen den Bitcoin spielt auch die Frage eine wichtige Rolle, wie viele illegale Krypto-Transaktionen es gibt.
Die Autoren schreiben: Bitcoin-Befürworter hätten zwar vor dem FTX-Kollaps bei einer Kursstabilisierung auf eine Atempause auf dem Weg zu neuen Höhen gehofft. “Dabei war schon vorher zu erkennen, dass es eher ein letztes Aufbäumen auf dem Weg in die Irrelevanz war”, heißt es in einem Blogbeitrag von EZB-Generaldirektor Ulrich Bindseil und EZB-Berater Jürgen Schaaf, den die Europäische Zentralbank (EZB) am 30.11.22 auf ihre Internetseite stellte. Der Artikel wurde zuvor auf Deutsch im “Handelsblatt” veröffentlicht.
Für die Website Bitcoin Obituaries war der Aufsatz von Bindseil und Schaaf allerdings nur der 467. Anlauf, einen Nachruf auf den Bitcoin zu verfassen.
Die beiden EZB-Vertreter formulieren in Kommentar aber nicht nur einen Abgesang auf den Bitcoin, sondern unterstellen der Krypto-Szene mehrheitlich kriminelle Absichten. Unter der Kapitelüberschrift “Bitcoin is rarely used for legal transactions” (Bitcoin wird kaum für legale Transaktionen verwendet) heißt es:
Bitcoin wurde zwar im Jahr 2008 erschaffen, um das bestehende Geld- und Finanzsystem zu überwinden, und wird seitdem als globale, dezentralisierte digitale Währung vermarktet. Aber bereits das konzeptionelle Design und technologische Mängel machten ihn als Zahlungsmittel fragwürdig. In der Realität sind Bitcoin-Transaktionen umständlich, langsam und teuer. Bitcoin wurde nie in nennenswertem Umfang für legale reale Transaktionen verwendet.
Einen Beleg für die indirket formulierte These, dass Bitcoin hauptsächlich für illegale Transaktionen verwendet werde, blieben Bindseil und Schaaf in ihrem Text allerdings schuldig. In der Kryptoszene wurden die Äußerungen deswegen schnell als eine Ansammlung von Stammtischparolen kritisiert. Da Transaktionen auf der Blockchain transparent seien und nachvollzogen werden können, gebe es kein schlechteres Zahlungsmittel für kriminelle Transaktionen als Bitcoin, schrieb BTC-Echo in einem Kommentar. “Verfolgungsbehörden und Analyseunternehmen wie Chainalysis sind sehr gut in der Lage, den Ursprung der Kryptowährung zurückzuverfolgen. Nur dumme Kriminelle nutzen Bitcoin.”
Der umstrittene Kommentar von Bindseil und Schaaf wurde von der EZB zwar als private Äußerung der beiden Autoren eingestuft. Allerdings wurde er im offiziellen EZB-Blog veröffentlich und über den Twitter-Account der EZB promotet.
Ein Vertreter der deutschen Bankenaufsicht BaFin aus dem Referat “Finanztechnologische Innovationen” der Abteilung “Strategie, Risiko und Innovation” (SRI3), Dr. Christoph Kreiterling, präsentierte gute eine Woche später auf einer BaFin-Fachtagung “Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung” ein viel differenzierteres Bild.
Zunächst verortete Kreiterling die Digitalisierung im Finanzmarkt im typischen Hype Cycle von Gartner auf dem absoluten Hype-Höhepunkt – auf dem Weg in das “Tal der Ernüchterung”
Entsprechend sei auch der Marktwert der Kryptowährungen stark unter Druck:
Bei der Kernfrage, in welchen Umfang Bitcoin und andere Kryptowährungen für illegale Transaktionen verwendet werden, kommt der BaFin-Experte jedoch zu einem anderen Bild las die beiden EZB-Vertreter: Zwar nehme die Verwendung und Akzeptanz von Kryptowerten für kriminelle Machenschaftn zu: “Kryptowerte werden zunehmend für Geldwäsche und grundsätzliche alle Straftaten eingesetzt.” Das genauere Ausmaß und der Anteil illegaler Krypto-Transaktionen sei schwer abzuschätzen. “Herkömmliches Zentralbank-Geld wird gleichwohl weiterhin bevorzugt verwendet.” das heißt im Klartext: Bei den meisten krummen Geschäften liegen klassische Währungen wie Euro oder US-Dollar im Koffer.
Kreiterling belegte seine These mit zwei Quellen. Zum einen legte er in seiner Präsentation eine Folie mit Daten aus den Chainalysis Crypto Crime Report 2022 auf. Danach stieg zwar das Volumen der illegalen Krypto-Transaktionen, der Anteil an allen Krypto-Transaktionen sinkt jedoch, da inzwischen insgesamt viel höhere Werte in digitalen Token transferiert werden
Die zweite Quelle von Kreiterling ist ein Report von Europol aus dem Jahr 2021 (Europol Spotlight Report: Cryptocurrencies -Tracing the evolution of criminal finances,series). In dem papier werden zum einen gefährliche Trends benannt, etwa dass Geldwäschenetzwerke Kryptowerte als Dienstleistung für andere Kriminelle anbieten. Aber auch Europol kommt zu dem Ergebnis, dass Fiat-Währungen bei illegalen Finanztransaktionen eine deutlich größere Rolle spielen als Kryptowährungen. Außerdem würden Regulierung und Rahmenwerke zur Bekämpfung der Geldwäsche (Anti-Money Laudering–AML) bei Kryptowerten immer wirksamer.